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Emmi: "Was mit dem Danni passiert ist, darf nie wieder passieren"

Teil 1 der Interview-Reihe mit Aktivist:innen "Stimmen aus dem Dannenröder Forst"

Die 21-jährige Emmi gehörte zu den ersten Menschen, die den Dannenröder Forst besetzt haben. Am Nikolaustag - dem Vortag der letzten Räumungen auf der künftigen Autobahntrasse - zieht sie im Interview eine Bilanz.

Pro Wald: Emmi, Du gehörst zu den jungen Menschen, die den Dannenröder Forst rund 13 Monate lang besetzt haben, um die Abholzung zu verhindern. Jetzt werden die letzten Bäume gefällt. Wie lautet Deine Bilanz der Baumbesetzungen?

Emmi: Das, was wir Menschen hier im Wald geschaffen haben, ist unglaublich. Wenn man noch vor ein paar Wochen durch den Dannenröder Forst gelaufen ist und gesehen hat, was wir hier alles erschaffen haben – die Baumhäuser und auch die Infrastruktur – ist das einfach beeindruckend. Wir haben uns extrem viele Gedanken darüber gemacht, wie wir unser Leben mit der Natur vereinbaren und respektvoll miteinander umgehen können. Das ist sehr wichtig und schön.

Pro Wald: Ein gutes Jahr nach Beginn der Baumbesetzungen begannen am 10. November die Räumungs- und Rodungsarbeiten. Was hat sich dadurch verändert?

Emmi: Ja, seitdem wurde diese furchtbare Schneise in den Wald geschlagen. Dennoch ist nicht verschwunden, was wir hier geschaffen haben. Es sind noch immer viele Menschen dort, der Protest wird sich ändern, aber er wird nicht aufhören. Wir werden immer noch hier sein und laut sein und klar machen, dass so etwas nicht passieren darf. Wir wollen nicht nur den Wald retten, sondern auch versuchen, die Gesellschaft zum Positiven zu verändern.

Pro Wald: Wie ist es für Dich, dass mit dem „Oben“ nun die letzte Bauhaussiedlung unmittelbar vor dem Ende steht?

Emmi: Viele Menschen haben monatelang hier gelebt, sie haben sich ihre Baumhäuser selbst mit ihren Händen erbaut, haben sie eingerichtet und sehr viel Liebe hineingesteckt. Zu sehen, wie das zerstört wird, trifft die Menschen unfassbar hart. Ich selbst habe vor allem im Sommer im Wald geschlafen, mich dann aber irgendwann dazu entschieden, ins Camp am Waldrand zu ziehen.

Pro Wald: Warum?

Emmi: Ich hätte es emotional nicht ertragen können zu sehen, wie diese Baumhäuser zerstört werden. Wir haben versucht, uns hier eine kleine Utopie zu schaffen, die jetzt gewaltsam auseinanderbricht. Der Danni ist unser Zuhause geworden – viele von uns sind zwar zwischenzeitlich noch bei ihren Familien oder dort, wo sie normalerweise wohnen, aber sie kommen immer wieder hierher zurück, weil es ein ganz besonderer Ort ist, der uns allen so viel gegeben hat. Das werden wir alle nie vergessen – diejenigen, die nur kurz hier waren, aber vor allem diejenigen, die eine lange Zeit hier verbracht haben. Wir werden unser ganz Leben lang davon profitieren, was wir im Danni erlebt haben.

Pro Wald: In den weit überwiegenden medialen Darstellungen wurden mit dem zunächst noch einigermaßen positiv oder neutral besetzten Begriff „Aktivist:innen“ zunehmend Menschen verbunden, die Gewaltaktionen ausüben wie Kot oder Feuerwerkskörper auf Polizisten werfen oder sich von Autobahnbrücken abseilen. Wie beurteilst Du diese negative öffentliche Wahrnehmung?

Emmi: Was wir hier erlebt haben, war eine autonome Waldbesetzung. Viele Menschen in unserer Gesellschaft verstehen dieses Konzept des Zusammenlebens nicht, in dem es keine strengen Regeln und keine klar definierten Verhaltensnormen gibt. Hier können erstmal alle herkommen, und wir fassen den Danni als Aktionsplattform auf. Hier spricht jeder Mensch für sich selbst und trifft seine eigenen Entscheidungen. Es ist gar nicht möglich, alles mitzubekommen, was die anderen machen. Wenn ich mir dann angucke, was viele Medien berichtet haben, ist das für mich schwierig. Denn da werden fast nur die Vorfälle aufgegriffen, die einen starken Schlagzeilenwert haben – aber nicht das, was sonst hier im Wald passiert

Pro Wald: Und was ist das?

Emmi: Das ist die große Mehrheit der Menschen, die friedlich demonstrieren und sich nur mit ihren Körpern unfassbar mutig den Polizisten entgegenstellen, die oft aber auch ganz große Angst haben. Diese Menschen kommen in den Medien alle nicht vor. Auch berichten die Medien nicht darüber, was uns hier alles passiert, welche Gewalt wir erfahren, die uns auch massiv prägen wird. Zudem wird ganz oft vergessen, dass Polizisten eine jahrelange Ausbildung hinter sich haben und für Situationen, die sie hier erleben, trainiert und geschult werden. Für sie ist das eine ganz andere Belastung als für uns: Sie gehen abends heim zu ihrem Zuhause und ihren Familien.

Pro Wald: … während Ihr bleibt.

Emmi: Ja, wir bleiben hier. Und wir sind nicht geschult, solche Gewalt auszuhalten und mit solchen Situationen umzugehen. Also ist das ein ganz anderes Level, wir gehen abends schlafen bei Minustemperaturen im Schnee. Und wenn man dann bedenkt, wie sehr sich die Leute hier an den Ort gebunden fühlen, wie verzweifelt sie sind, dass seitens der Polizei aber auch von der Politik keine wirklichen Kommunikationsversuche gestartet worden sind, kann ich mir vorstellen, dass das für einige Menschen ein verzweifelter Schrei ist, weil sie sich einfach nicht gehört fühlen. Dann können solche Aktionen geschehen.

Pro Wald: Der Danni scheint verloren, aber überall in Deutschland sind andere Wälder von Zerstörung bedroht. Wie geht es jetzt mit der Waldbewegung weiter?

Emmi: Nein, der Danni ist noch nicht verloren! Die Bäume sind zwar gefallen, aber jetzt gibt es hier noch keine Autobahn und noch fahren keine Autos hier entlang. Wie sich das entwickelt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Es gilt festzuhalten, dass das, was hier passiert ist, in höchstem Maße zu verurteilen ist. Ein Jahrzehntealter Plan, der einfach durchgesetzt worden ist, ohne dass die Schäden durch die Klimakrise beachtet worden sind, wo erforderliche Gutachten nicht erstellt worden sind und wo das Trinkwasser, das unter dem Wald vorhanden ist, nicht berücksichtigt wurde.

Pro Wald: Welche Schlüsse ziehst Du daraus?

Emmi: Es werden noch immer sehr viele Autobahnstücke in Deutschland geplant, obwohl unser Infrastrukturnetz in dieser Hinsicht schon vollständig ist. Deshalb wollen wir uns vernetzen, wir wollen uns anschauen, was sonst noch in diesem Land passiert, was nicht passieren dürfte. Wir wollen ein klares Zeichen für eine klimagerechte Mobilitätswende setzen. Denn so etwas wie im Danni darf nicht noch einmal passieren.

Das Interview führte Ingo Fischer.


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