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Weidener Wald: Gewerbegebiet statt Landschaftsschutzgebiet?

Im Steckbrief „Bedrohte Wälder“ stellt Pro Wald in Kooperation mit dem örtlichen „Aktionsbündnis Walderhalt“ den Manteler Forst ("Weidener Wald") im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz vor. Schon am kommenden Sonntag (14. Februar 2021) wird eine wichtige Weiche dafür gestellt, ob der Jahrhunderte alte Wald noch eine Zukunft hat – oder ob er schon bald dem Gewerbegebiet "Weiden West IV" weichen muss. Das Aktionsbündnis engagiert sich für den Erhalt des Landschaftsschutzgebiet, weil dieses zu den artenreichsten Gebieten Bayerns zählt. Und weil es sechs weitere mögliche Standorte für ein neues Gewerbegebiet gäbe, für die kein Wald gerodet werden müsste.


Wie heißt der bedrohte Wald?


Eine scheinbar einfache Frage, die aber nicht so einfach zu beantworten ist: Die große, zusammenhängende Waldfläche ist der Manteler Forst, es finden sich auch die Schreibweisen Mantler Forst oder Mantler Wald. Den Teilbereich, in dem gebaut werden soll, nennen die Bewohner wahlweise "Weidener Wald", "Pressather Wald" oder auch "Latscher Holz". Auch diese Teilbereiche sind nicht komplett von der drohenden Bebauung betroffen. Der Einfachheit halber ist im weiteren Verlauf des Beitrags von "Manteler Forst" bzw. "Manteler Wald" die Rede.

Wo befindet er sich?

In Bayern, nördliche Oberpfalz, westlich der kreisfreien Stadt Weiden. Weiden liegt rund 20 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt.

Wie groß ist der Wald?

Die gesamte zusammenhängende Waldfläche erstreckt sich über 3.600 Hektar. Der akut gefährdete Bereich im Manteler Wald ist inklusive geplanter Zufahrt mindestens 76 Hektar groß und liegt am östlichen Rand.

Die gesamte zusammenhängende Waldfläche erstreckt sich über 3.600 Hektar. Der akut gefährdete Bereich im Manteler Wald ist inklusive geplanter Zufahrt mindestens 76 Hektar groß und liegt am östlichen Rand.

Um was für eine Art Wald handelt es sich?

Es ist ein vorwiegend lichter Kiefernwald, der sich im Umbau befindet: Unter die Kiefern werden seit mehr als 40 Jahren Buchen und Eichen gepflanzt. Von einem Kiefer-Fichte dominierten Wald soll er nach und nach in einem Mischwald mit hohem Laubholzanteil umgebaut werden, da diese stabiler und auch ertragreicher sind. Diese Erkenntnis hat sich in der Forstwirtschaft seit Jahrzehnten durchgesetzt.

Wie alt ist er, und wie ist seine Geschichte?

Einige mehrere hundert Jahre alten Eichen, die aus einer Zeit stammen, als die Landwirte ihre Nutztiere noch im Wald weiden ließen, sind die ältesten Bäume im Manteler Forst. Die ältesten Kiefern, die einen Großteil des Waldes ausmachen, dürften gut hundert Jahre alt sein. Den Manteler Forst gab es schon im Mittelalter, wo er wegen des starkem Holzverbrauchs jedoch stark schrumpfte. Anschließend wurde er auf vorwiegend sandigen Böden wiederaufgeforstet. Bis vor einigen Jahren stand er auf außermärkischem Gebiet, bis er der Stadt Weiden zugeschlagen wurde. Derzeit ist er Landschaftsschutzgebiet (LSG) und im Weidener Flächennutzungsplan als Wald ausgewiesen – noch.

Wie ist sein aktueller Zustand?

Der Wald hat die vergangenen drei Dürresommer vergleichsweise gut überstanden. Laubholz scheint die Dürre am besten zu verkraften. Bei der Kiefer gibt es einzelne Schäden. Erwartungsgemäß entstanden einige kleine Lücken durch Borkenkäfer bei Flächen mit reiner Fichte.

Was sind seine Besonderheiten?

Der Manteler Forst zwischen Weiden und Grafenwöhr gehört zu den artenreichsten Gebieten in Bayern, schreibt die Bayerische Staatsforsten AöR auf ihrer -> Webseite. Seine große Bedeutung für den Naturschutz gründe sich vor allem auf das enge Nebeneinander von trockenen Sandlebensräumen, naturnahen Gewässern und Mooren. Insbesondere die Vorkommen an Libellen (47 Arten), Heuschrecken (24 Arten), Amphibien (13 Arten) und Reptilien (6 Arten) dokumentieren den Wert des Gebiets. Auch die Flora zeichnet sich durch viele Besonderheiten aus, so kommen insgesamt acht -> Bärlapp-Arten vor. Der Manteler Wald ist zudem ein beliebtes Naherholungsgebiet am Rand der Stadt Weiden und ein Puffer gegen Wetter aus dem Westen: Das Weidener Becken ist Trockengebiet. Das Wassereinzugsgebiet der Stadt (Tiefbrunnen) liegt nur gut zwei Kilometer entfernt und würde in Mitleidenschaft gezogen. Der Wald ist daher auch wichtig für den Klimaschutz, weil er die Feuchtigkeit speichert.

Warum ist er aktuell bedroht?

Die Stadtverwaltung will, dass der Flächennutzungsplan so geändert wird, dass dort ein neues Gewerbegebiet entsteht. Sofern dieses Vorhaben umgesetzt würde, wäre das das Ende für dieses Teilstück des Waldes.

Was würden die geplanten baulichen Eingriffe für den Wald, die Tiere, die Natur und die Menschen bedeuten?

Das Ökosystem Wald soll auf einer Fläche von 70 Hektar sowie mindestens sechs Hektar für den „Auffahrtskreisel“ nahezu komplett gerodet und damit zerstört werden. Es bliebe nur ein schmaler Restwaldstreifen mit „ökologischer Alibifunktion“. Der Lebensraum etwa für Fledermäuse oder -> Raufußkäuze würde vernichtet, der Ausgleich nach bayerischer Kompensationsverordnung ist fragwürdig. Große zusammenhängende Waldflächen sind auch für die Wiederansiedlung einst ausgerotteter und vertriebener Tierarten wie etwa Wölfen von Bedeutung: So hat im vergangenen Sommer erstmals ein standorttreues Wolfspaar im Manteler Forst Nachwuchs bekommen – sprich: -> seitdem ist dort eines von zweien bayerischen Wolfsrudeln heimisch. Die großflächigen Versiegelungen böten zudem keine Regenrückhaltebecken mehr, durch die wegfallende Kühlfunktion des Waldes würde sich das Kleinklima im Sommer stark aufheizen. Für den Mensch würde eine wichtiges Naherholungsgebiet wegfallen, der Lärm würde sich verstärken, ebenso wie der Verkehr auf der bereits schon jetzt grenzwertig belasteten Bundesstraße 470.

Was sind die Argumente der Befürworter der baulichen Eingriffe, und welche Argumente sprechen dagegen?

Die Stadt Weiden behauptet, dass das neue Gewerbegebiet am Standort "Weiden West IV" und die damit verbundene Waldzerstörung alternativlos seien, da das Gebiet verkehrsgünstig in der Nähe der A93 liege und es die einzige Erweiterungsmöglichkeit für Gewerbe sei. Jedoch handelt es sich bei "Weiden West IV" nur um einen von insgesamt sieben möglichen Standorten für ein neues Gewerbegebiet. Es geht der "Aktionsgruppe Wald" also nicht darum, dass gar kein Gewerbegebiet gebaut wird, sondern nur, dass es nicht im Weidener Wald entsteht. Die Standort-Alternativen seinen nicht berücksichtigt und ausgeschöpft worden. Letztendlich gehe es in erster Linie ums Geld: Der Manteler Wald ist im Besitz des Freistaats Bayern. Diesem will die Stadt Weiden Waldflächen abkaufen bzw. sie gegen andere Waldflächen tauschen, weil sie dann nur mit einem einzigen Besitzer verhandeln müsste und die Transaktion vergleichsweise kostengünstig wäre.

Sollte hingegen ein neues Gewerbegebiet an anderer Stelle errichtet werden, dann müsste die Stadt Weiden nicht nur mit vielen Landwirten verhandeln, denen die Flächen gehören. Sondern sie müsste auch eine deutlich höhere Summe auf den Tisch legen. Landwirtschaftliche Flächen würden übrigens auch dann verschwinden, wenn der Manteler Wald gerodet würde, da hierfür Ausgleichsflächen ausgewiesen werden müssten. Daher strebt das Aktionsbündnis Walderhalt die Nachverdichtung und Aufwertung bestehender Weidener Gewerbegebiete mit zum Teil hohem Leerstand an.

Wie ist der Stand der Planungen?

Bis kommenden Sonntag, 14. Februar, 18 Uhr, können Weidener:innen per Briefwahl in einem Bürger- und Ratsentscheid über das Gewerbegebiet abstimmen. Sollte "Weiden West IV" eine Mehrheit bekommen, wird das Bauvorhaben weiter vorangetrieben. In diesem Falle würde die Bauleitplanung in Kürze die endgültigen Pläne auslegen. Im Flächennutzungsplan müsste zunächst der Landschaftsschutzgebiets-Status gestrichen und das neue Gewerbegebiet ausgewiesen werden, erst dann kann eine Rodungserlaubnis erteilt werden. Sollte der Bürgerentscheid dagegen eine Mehrheit contra West IV und für den Erhalt des Waldes ergeben, würden die Planungen zumindest bis auf Weiteres nicht weiter verfolgt werden.

Welche Bündnisse, Bürgerinitiativen oder Umweltverbände engagieren sich für den Erhalt des Weidener Waldes?

Das ist das "Aktionsbündnis Walderhalt" aus BUND Naturschutz, Greenpeace, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) sowie engagierten Bürgern, darunter auch Anliegern. Ansprechpartner sind Hans Riedlbauer, BUND Naturschutz, Corinna Loewert, Vorsitzende der Ortsgruppe Weiden, sowie Hans Babl, Vorsitzender der Kreisgruppe Neustadt an der Waldnaab/Weiden. Kontakt: neustadt-weiden(at)bund-naturschutz.de

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die drohenden Rodungen noch zu verhindern?

In erster Linie wird natürlich der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag richtungsweisend sein. Zudem läuft eine -> Petition über Change.org, und Umweltverbände könnten klagen. Ganz wichtig ist es, Aufklärungsarbeit in Form von Leserbriefen, Pressearbeit und Online-Videokonferenzen zu Bürgerfragen zu leisten. Das Aktionsbündnis Walderhalt hat den Bürgerentscheid durchgesetzt, plakatiert und die Bevölkerung mit Wurfsendungen, auf seiner -> Webseite sowie seiner -> Facebookseite informiert.

Fotos: Pro Wald (1) / Aktionsbündnis Walderhalt (5) / Stadt Weiden (1)

Update vom 14. Februar 2021: Bürgerentscheid rettet Manteler Forst

Die Weidener Einwohner:innen haben sich mit 65,4 Prozent der abgegebenen Stimmen klar und deutlich für den Erhalt ihres Weidener Waldes / Manteler Forsts und gegen ein neues Gewerbegebiet "Weiden-West IV" auf Waldgebiet ausgesprochen!


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